Schauen Sie sich die beiden folgenden Bilder an. Das erste kennen Sie, es ist unsere Innenstadt. Das zweite ist ein Stadtpark, irgendwo auf der Welt. Was würden Sie sagen, ist ein „Guter Ort“? Wo würden Sie sich lieber aufhalten? Wo würden Sie lieber hingehen? Wo würden Sie sich eher niederlassen, um Mails zu checken, ihre Hausaufgaben zu machen, die Zeitung zu lesen, Ihre Mittagspause verbringen, Leute zu gucken?


Lassen Sie uns gemeinsam etwas über „Gute Orte“ nachdenken!
Warum gute öffentliche Orte das Fundament lebenswerter Städte sind
Städte stehen unter Druck. Klimaanpassung, soziale Spaltung, Nutzungskonflikte, demografischer Wandel, verödende Innenstädte – die Liste der Herausforderungen ist lang. Oft wird nach großen Masterplänen oder technischen Lösungen gesucht. Dabei wird die Qualität der öffentlichen Orte, an denen das tägliche Leben tatsächlich stattfindet oder stattfinden sollte, häufig übersehen.
„Gute Orte“ – also Parks, Plätzen, Straßenräumen, Bibliotheken, Uferzonen oder auch scheinbar unspektakulären Zwischenräumen sind Orte, die nicht nur gestaltet, sondern gelebt werden. Orte, die Gemeinschaft ermöglichen, ohne sie zu erzwingen. Orte, die offen sind – für alle.
Was sind „Gute Orte“?
Ein guter öffentlicher Ort ist mehr als ein „schöner Platz“ oder eine gepflegte Grünanlage. Und er ist auch nicht automatisch gut, nur weil er architektonisch hochwertig gestaltet wurde. Gute Orte beginnen nicht mit der Form, sondern mit den Menschen.
Es sind Orte,
- an denen man sein darf, ohne Eintritt, Konsumzwang oder besondere Berechtigung,
- an denen man sich hinsetzen, bewegen, treffen, ausruhen oder einfach herumhängen kann,
- an denen sowohl geplante als auch ungeplante Begegnungen möglich sind.
Der bekannte dänische Stadtplaner Jan Gehl beschreibt soziale Aktivitäten als alle Formen zwischenmenschlicher Kommunikation, die dort entstehen, wo Menschen zusammenkommen. Wenn ein öffentlicher Raum lebendig und attraktiv ist, zieht er weitere Menschen an – ist er leer und abweisend, bleibt er es auch. Auch Angsträume entstehen, wenn Orte eben nicht gut sind.
Komfort und Zugänglichkeit sind dabei entscheidend. Nur wenn Orte bequem erreichbar, gut nutzbar und für unterschiedliche Bedürfnisse gestaltet sind, entsteht echte Inklusivität. Das betrifft Sitzgelegenheiten genauso wie Barrierefreiheit, Schutz vor Wetter, Sicherheitsempfinden oder die Möglichkeit, den Ort auf unterschiedliche Weise zu nutzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Gute Orte funktionieren nicht nur zu besonderen Anlässen, sondern im Alltag. Sie laden morgens, mittags und abends zur Nutzung ein. Sie haben aktive Ränder, belebte Erdgeschosse, Übergänge statt harter Kanten. Und sie sind nicht nur in ihrer Mitte attraktiv – oft entscheidet sich die Qualität eines Ortes gerade an seinen Rändern.
Warum gute Orte so wichtig sind
Die Schaffung guter öffentlicher Orte wirkt weit über den einzelnen Platz hinaus. Ihre Effekte sind vielfältig:
- Sozialer Zusammenhalt: Gute Orte ermöglichen Begegnungen ohne Anlass. Gerade diese „absichtslose Gemeinschaft“ – Sehen und gesehen werden, Geräusche wahrnehmen, Teil des öffentlichen Lebens sein – ist die Minimalform sozialen Kontakts und zugleich eine der wichtigsten Grundlagen für Vertrauen und Zugehörigkeit.
- Demokratie und Teilhabe: Öffentliche Orte sind reale Bühnen der Stadtgesellschaft. Wer keinen Raum hat, um sich aufzuhalten, hat es auch schwer, Teil der Stadt zu sein.
- Gesundheit und Wohlbefinden: Orte, an denen man sich gern aufhält, fördern Bewegung, mentale Erholung und soziale Kontakte.
- Städtische Identität: Gute Orte spiegeln den Charakter einer Stadt wider – durch Materialien, Landschaft, Geschichten und kulturelle Bezüge. Sie werden Teil persönlicher Erinnerungen.
- Lebendige Innenstädte: Wo Menschen bleiben können, entstehen auch lokale Wirtschaft, Kultur und informelle Nutzung. Umgekehrt werden viele Innenstädte zu „Nicht-Orten“, die nur dem Durchgang oder dem Konsum dienen.
Besonders deutlich wird das Defizit dort, wo solche Orte fehlen: Jugendliche finden kaum Räume zum Treffen ohne Konsumzwang, wettergeschützte Aufenthaltsorte sind rar, und viele scheinbar öffentliche Räume setzen implizit Geld oder Berechtigungen voraus. Doch eine Stadt, die Zugehörigkeit fördern will, braucht offene Orte, an denen niemand erklären muss, warum er oder sie dort ist.
Beispiele für „Gute Orte“
Gute Orte können sehr unterschiedlich aussehen, je nach Stadt, Kultur und Kontext:
- Ein Stadtplatz mit vielfältigen Sitzmöglichkeiten, schattigen Bereichen und Raum für spontane Nutzung.
- Ein Park, der nicht nur gestaltet, sondern bespielt wird – mit offenen Wiesen, Wegen, Treffpunkten und ruhigen Zonen.
- Eine Bibliothek als „Wohnzimmer der Gesellschaft“, wie etwa die Oodi-Bibliothek in Helsinki, mit dem klaren Signal: Jeder darf hier sein. Herumhängen ist erlaubt – ja sogar erwünscht.
- Eine Uferpromenade, die nicht nur zum Flanieren, sondern auch zum Verweilen einlädt.
- Kleine Nachbarschaftsorte: Plätze, Spielstraßen, umgenutzte Restflächen, die durch ihre Offenheit Wirkung entfalten.
Diese Beispiele zeigen: Gute Orte sind kein Luxusprojekt, sondern zentrale Infrastruktur einer zukunftsfähigen Stadt.
Gute Orte orientieren sich an den Menschen. Sie sind nicht die Summe von Bänken, Pflanzen, Wegen etc. Und zu deren Gestaltung gibt es nicht den einen Knopf, den man drücken muss oder die eine Anleitung, die man befolgen muss, um Gute Orte zu schaffen. Verschiedene Fachdisziplinen haben sich mit dem Thema beschäftigt und geben jeweils ihre Perspektive auf Gute Orte – angefangen von der Stadtplanung, über die Soziologie bis hin zu Psychologie und verschiedenen weiteren. Auf diese lohnt der differenzierte Blick, um mehr zu erfahren über Gute Orte.
Damit sind „Gute Orte“ ein interdisziplinäres Konzept, das abhängig vom jeweiligen Fachgebiet verschiedene Bedeutungen annimmt: funktional, sozial, ästhetisch, ökologisch, gesundheitlich, politisch, kulturell, spirituell etc.
Wo gibt es in Viernheim „Gute Orte“?
Auch in Viernheim gibt es Gute Orte. Aber es sind wenige und die man so halbwegs als Gute Orte benennen kann, sind nicht für alle Gute Orte. Wenn man den Leuten zuhört, hat die Stadbücherei das Potenzial zu einem Guten Ort. Jugendliche verabreden sich dort, lesen gemeinsam, gehen dort hin, um ihre Hausaufgaben zu machen, Studierende lernen dort. Das hat gar nicht unbedingt mit den Büchern zu tun, sondern eher mit dem Ort, mit der Atmosphäre und den Möglichkeiten, die die Stadtbücherei bietet. Aber es ist ein guter Anfang!
Ebenfalls Potenzial hat das Sportgebiet West. Auch hier gehen vor allem junge Leute hin, verabreden sich dort, picknicken, halten sich dort auf und nutzen die Angebote. Sie nutzen das Sportgebiet, sich anlasslos zu treffen, nicht nur um dort irgendein Event zu einer bestimmten Uhrzeit zu besuchen.
Das Rhein-Neckarzentrum ist ein Stück weit so ein Ort. Es entspricht nicht so richtig der obigen Definition, aber es erfüllt für manche, vor allem junge Leute, den Zweck. Man kann sich dort treffen, aufhalten, im Sommer ist gekühlt und im Winter geheizt. Aber großformatige Plakate weisen darauf hin, dass man das WLAN nur zwei Stunden kostenfrei nutzen kann. Offenbar ist das die Zeit, die das Center-Management den Besuchern zugibt. Ja, und idealerweise soll man auch konsumieren, und damit ist das Rhein-Neckarzentrum eher ein – „Zwischenwelt“-Kandidat.
Was sind noch „gute Orte“ im Sinne der obigen Definition?
