Am 4. Juni 2025 haben wir mit einem ersten Workshop mit Bürgerinnen und Bürgern die Arbeit an einer Vision für Viernheim begonnen. Es war gleichzeitig auch der Start in eine ganze Reihe von Workshops und Veranstaltungen, um mit Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren, deren verschiedene Perspektiven zu erfahren, gemeinsam zu arbeiten. Zahlreiche Menschen sind unserer Einladung gefolgt und haben am ersten Workshop zur Erarbeitung einer Vision, einem positiven Zukunftsbild für Viernheim, teilgenommen.

Stefan Reinhardt, der den Workshop moderierte, beschreibt das Ziel wie folgt: „Wenn man politische Maßnahmen auf den Weg bringen will, ist es gut zu wissen, wo man hinwill. Und so ein Bild von einer möglichen Zukunft wollen wir für Viernheim gerne gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern entwickeln.“
Wir haben uns für den ersten Workshop für ein besonderes Verfahren entschieden und sind nicht mit dem Sammeln von Themen, mit denen die Leute unzufrieden sind, gestartet. Sondern wir sind in die Diskussion über eine sogenannte ‚Wertelandkarte‘ eingestiegen.“ Eine solche Wertelandkarte lag auf jedem der vier Tische und die Aufgabe war die Werte zu markieren, die heute gesehen werden und die man sich in fünf Jahren verstärkt für Viernheim wünscht. Diese wurden anhand von aktuellen Beispielen aus dem politischen Geschehen in Viernheim jeweils begründet. Damit wurden natürlich auch die aktuellen Themen benannt, die viele der Teilnehmenden heute beschäftigen.
Was sind Werte?
Mit ‚Werten‘ sind in diesem Zusammenhang die grundlegenden Überzeugungen, Haltungen oder Prinzipien, die Menschen oder Gemeinschaften wichtig finden und die ihr Denken, Handeln und Entscheiden leiten. Dieses Thema führte für uns zu einem ausgesprochen spannenden und nicht so erwarteten Ergebnis.
Stabile Basiswerte heute und in Zukunft
Zum einen gibt es stabile Basiswerte, die heute wichtig sind und auch für die Zukunft weiterhin ihre Bedeutung behalten. Dies sind beispielsweise Vertrauen, Heimat, Bindung, Geselligkeit, Sicherheit, Verlässlichkeit, Qualität, Ordnung, Moral, Disziplin, Sauberkeit. Sie sind das „emotionale Rückgrat“ der Viernheimer Stadtgesellschaft. Ebenso tauchen Werte wie Humor, Spiel und Offenheit immer wieder auf und somit der Wunsch nach Leichtigkeit, Lebensfreude und gesellschaftlicher Offenheit.

Werte für die Zukunft
Neben diesen Basiswerten gibt es Werte, die man sich für die Zukunft verstärkt wünscht, bzw. die man heute nicht so stark erfüllt sieht. Dies sind zum einen Toleranz, Offenheit, Gerechtigkeit, Zusammenarbeit/Zusammenhalt. Die Teilnehmenden wollen also, dass die Gesellschaft inklusiver, gerechter und kooperativer wird.
Ebenso wünschen sich die Teilnehmenden in Zukunft mehr Transparenz, und zwar explizit auf die Nachvollziehbarkeit von Politik und dem Handeln der Verwaltung, sowie ein mehr an Respekt und Akzeptanz, begründet mit dem Wunsch nach einem besseren sozialen Miteinander, Diversität und wertschätzendem Umgang. Vielen fehlt der soziale Kitt oder sie sehen ihn bedroht.
Die Werte wurden anhand von konkreten Erlebnissen und für die Zukunft durch Wünsche begründet. Damit wurden dann eben auch konkrete Themen benannt, wie wir sie als Stadtgesellschaft der Politik aufgeben. Stark diskutiert wurden das Thema Sicherheit und das Thema Sauberkeit. Viele fühlen sich in Viernheim nicht zu jeder Zeit sicher und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt durch ein Unsicherheitsgefühl. Das gilt in Besonderem für Frauen, die berichteten, selbst mit dem Fahrrad manchen Umweg in Kauf zu nehmen, aus Angst, dass ihnen in Viernheim etwas zustoßen könnte. Das gilt in ähnlicher Form für das Thema Sauberkeit, wenn bestimmte Plätze und Gegenden gemieden werden.
Auch aktuelle Themen wurden gesammelt
Hinzu kamen als Wünsche die Themen bezahlbarer Wohnraum, Energiezukunft, bürgernahe Verwaltung, attraktive Parks, besseren ÖPNV, bessere Begegnungsorte für Jugendliche und verschiedene mehr.
Kritisch diskutiert wurde zudem die gesundheitliche Nahversorgung. Einige benannten, dass es schwierig sei, bei Ärzten Termine zu bekommen. Daraus entspann sich eine interessante Diskussion, in der eingeworfen wurde, dass dies nicht Aufgabe der kommunalen Politik sein. Dazu sagte Wolfram Theymann im Anschluss an die Veranstaltung, dass es zwar richtig sei, dass die Kommunalpolitik da keinen Einfluss hat und das Stadtparlament dazu nichts beschließen kann, „aber vermutlich kann man das gemeinsam besser an die Verantwortlichen außerhalb Viernheims adressieren, als wenn jetzt jeder Einzelne seiner Krankenkasse schreibt, dass er so lange auf einen Arzttermin warten muss“.
Unter dem Strich wurden viele Themen diskutiert, ohne an aktuellen Aufregern wie dem Gehwegparken zu lange hängen zu bleiben. Wir als Veranstalter konnten so viele Meinungen und Ideen mitnehmen. Es ging zwar manchmal etwas chaotisch zu, aber unter dem Strich haben wir sehr gute und teilweise überraschende Ergebnisse erhalten. Damit kann man gut weiterarbeiten. Allerdigns muss man auch einwerfen, dass die Ergebnisse natürlich nicht repräsentativ für ganz Viernheim sind. Aber sie sind eine gute Basis für die Weiterarbeit.
Gemeinsame Wertebasis
Überrascht hat uns, dass so schnell eine gemeinsame Wertebasis erkennbar wurde, mit klaren übergeordneten Themen wie Sicherheit, Sauberkeit und anderen. Wir beschäftigen uns im Alltag viel mit Ärgernissen und Aufregern, aber es gibt wichtige übergeordnete Themen, zu denen man sich eigentlich viel mehr Gedanken machen muss. Klar ist das Thema Gehwegparken aktuell ein Ärgernis für viele Betroffene und man muss es diskutieren und umsteuern. Letztendlich ist es aber nur ein Symptom dafür, dass etwas schiefläuft im gesellschaftlichen Miteinander. Das eigentliche Thema dahinter ist der fehlende soziale Kitt in der Gesellschaft, aber ob der mit der Durchsetzung des Gehwegparkverbots wieder kommt, sei eben dahingestellt.
Was sind die zentralen Erkenntnisse aus dem Workshop?
- Verlässliche Gemeinschaft
Die Menschen sehnen sich nach einer verlässlichen, sicheren und verbindlichen Gemeinschaft.
Klassische Werte wie Heimat, Ordnung, Qualität und Moral sind dabei das Rückgrat. - Mehr Offenheit und Zusammenhalt
Inklusion, Toleranz und Gerechtigkeit werden wichtiger. Die Gesellschaft möchte, dass alle
Menschen dazugehören und gleiche Chancen erhalten. - Lebensfreude und menschliches Miteinander
Humor, Spiel und Geselligkeit sollen auch in einer strukturierten Stadt nicht zu kurz kommen. - Transparenz & Bürgernähe
Die Stadtverwaltung soll offener, transparenter und bürgernäher agieren. Es gibt ein Bedürfnis
nach echter Mitbestimmung. - Neue Herausforderungen
Themen wie Wohnen, Tierheim, Energiezukunft und Digitalisierung (mit Skepsis) zeigen, wo
Politik und Stadtentwicklung konkret ansetzen müssen.
Was leiten wir daraus ab?
- Beteiligung stärken
Mehr offene Beteiligungsformate, transparente Entscheidungsprozesse, Bürgerforen und
sichtbare Beteiligungserfolge schaffen Vertrauen und Identifikation. - Sozialen Zusammenhalt fördern
Projekte für Gemeinschaft, Begegnung, Integration und Diversität unterstützen – von
Nachbarschaftsfesten bis zu Dialogräumen. - Freude & Miteinander als Leitbild
Kultur, Sport und Begegnung fördern: Humor, Spiel, Lebensfreude gehören genauso in die
Stadt wie Verlässlichkeit und Ordnung. - Kritische Digitalisierungsdebatte
Digitalisierung mit Augenmaß und Partizipation gestalten, echte Alternativen für Digitalmuffel
anbieten, Ängste und Widerstände ernst nehmen. - Themen konkret angehen
Tierheim, Wohnraum, Energieversorgung und andere als „Leuchtturmprojekte“ begreifen, die Werte sichtbar machen.
Insgesamt zeigt Viernheim ein starkes emotionales Fundament, aber auch Lust auf Veränderung hin zu mehr Offenheit, Nachhaltigkeit und Bürgernähe.
Die Aufgabe der Stadtentwicklung wird sein, diese beiden Pole – Verlässlichkeit auf der einene Seite und Erneuerung auf der anderen – in Balance zu bringen.