Von Heike Gander
Niels Burkhoff hatte vor ein paar Tagen in seinem Beitrag “Frühe Förderung statt früher Auslese” Stellung zu zwei Forderungen der Bundesbildungsministerin Karin Prieb bezogen. Diese forderte bundesweite Sprachteste für Vierjährige und eine Integrationsquote in den Klassen, so dass maximal 30 bis 40 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund haben sollen. Mit frühen Tests sollen Defizite im sprachlichen Bereich früh erkannt und bei Bedarf entsprechend gefördert werden. Mehr Chancengleichheit im Bildungssystem und das Verhindern von Misserfolgen aufgrund fehlender Deutschkenntnisse sind das Ziel. Mit der Migrationsquote möchte sie bessere Lernumgebungen schaffen.
Burkhoff kritisiert diese Forderungen, da Quoten nach Herkunft nicht Leistung bewerten, sondern Herkunft zum entscheidenden Kriterium machen und frühe Tests nicht erkennen ließen, welche Entwicklung die Kinder erst Jahre später machen werden.
Wie auch immer man diese Forderungen auffassen mag zeigt deren Existenz, dass dringend Maßnahmen zur besseren Förderung von Kindern ergriffen werden müssen, um die Bildungssituation in Deutschland zu verbessern!
Schulen und Lehrkräfte dürfen nicht länger permanent an ihre Grenzen stoßen, da ein gemeinsames Lernen mit einem Ausgleich aller Unterschiede durch individuelle Förderung trotz aller Bemühungen nicht umsetzbar ist. Kinder aus bildungsfernen Familien oder mit Migrationshintergrund sollen dieselben Chancen haben, eine gute Schulbildung zu erhalten und später einen Beruf ausüben zu können, der ihnen finanzielle Sicherheit bietet.
Kinder im Vorschulalter durchlaufen eine rasante Entwicklung in motorischen, kognitiven, sprachlichen und sozialen Bereichen. Wie ihre Entwicklung letztendlich ablaufen wird, entscheidet sich im Laufe der Zeit und wird maßgeblich beeinflusst durch Bildungsangebote, soziales Umfeld, Elternhaus, Fördermaßnahmen etc. Welchen Gefallen tut man den Kindern, wenn sie feststellbare Defizite in bestimmten Bereichen haben, die dazu führen, dass ihre Entwicklung sich dadurch verlangsamt, sie mit Gleichaltrigen nicht mithalten können, dadurch möglicherweise ausgegrenzt werden und eine natürliche Integration nicht stattfinden kann? Selbstverständlich wird ihre Entwicklung und auch Integration dadurch gehemmt. Spätestens bei Schulantritt werden diese Defizite dann dadurch sichtbar, dass sie mit den leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern nicht mehr mithalten können und durch das Fehlen ausreichender Fördermaßnahmen in Schulen, die mit den aktuellen Mitteln und Möglichkeiten nicht zu leisten sind, hinten runterfallen.
Wer täglich unterrichtet weiß: Sprachdefizite, fehlende Vorerfahrungen oder besondere soziale und kulturelle Herausforderungen verlangen viel Zeit und Zuwendung. Diese Zeit steht jedoch nur sehr begrenzt zur Verfügung, insbesondere wenn man sich die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Klassen genauer ansieht. Muss eine Lehrkraft einen großen Teil ihrer Energie auf eine einzige Gruppe konzentrieren, geraten die anderen ins Hintertreffen – und am Ende profitieren weder die Kinder mit Förderbedarf noch die übrigen.
Bereits jetzt gibt es zahlreiche Fördermaßnahmen an Schulen, die oftmals personell kaum realisiert werden können, da der Bedarf stetig wächst. Vielleicht würde diesem Wachstum eine Steuerung der Klassenzusammensetzung durch eine Migrationsquote sowie eine Überprüfung des Förderbedarfs bei Vierjährigen entgegenwirken?
Doch wer soll testen? Und wer soll fördern? Schon jetzt herrscht Personalknappheit. Überfüllte Klassen erschweren die individuelle Förderung und der Lehrermangel führt vielerorts zu Unterrichtsausfällen. Kindergartengruppen müssen aufgrund fehlenden Personals zusammengelegt oder gar geschlossen werden.
Wer wirklich Chancengleichheit will, muss bereit sein, deutlich mehr in Bildung zu investieren. Mehr Investitionen in Ausbildung, Einstellung und faire Bezahlung von Lehrkräften sowie Schulsozialarbeitern und Erziehern sind entscheidend, um allen Kindern gerecht zu werden. Nur so können wir sicherstellen, dass Herkunft nicht über Lebenswege entscheidet. Bildung ist nicht verhandelbar – sie ist die Grundlage für eine gerechte, erfolgreiche und demokratische Gesellschaft.
Wir brauchen – so oder so – mehr Geld für die Bildung und frühe Förderung. Ob nun mit Tests oder ohne. SPD und CDU sind im Land als auch im Bund mit an der Regierung. Sie sitzen also genau an der richtigen Stellen, sich für mehr Geld in der Bildung einzusetzen. Vielleicht kann Herr Burkhoff ja über die Leute seiner Partei etwas für Viernheim erreichen?